Frauen und Gerechtigkeit zuletzt!

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Zu den Ergebnissen des Koalitionsvertrages erklärt die frauenpolitische Sprecherin und Stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, Cornelia Möhring:

Die große sozialdemokratische Wahlkämpferin für Geschlechtergerechtigkeit, gegen Betreuungsgeld und für die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben, Manuela Schwesig, hat auf ganzer Linie versagt. Von der CDU/CSU war kaum mehr zu erwarten, als das, was nun im Koalitionsvertrag zu finden ist. Der Koalitionsvertrag ist die betonierte Verweigerung von Frauenrechten, der politische Totalausfall bei der Bekämpfung des Gender Pay Gaps, der Lohn- und Einkommensungerechtigkeit gegenüber Frauen.

Die Anerkennung unterschiedlicher Lebensweisen, die allen Geschlechtern mehr Zeit für berufliche und persönliche Selbstentfaltung, Bildung, das Leben mit Kindern u. a. lassen, ist bei den Koalitionsparteien noch nicht angekommen. Das werden sich Frauenverbände, die politischen und gesellschaftliche Opposition, Familien, Mütter und Väter nicht bieten lassen. DIE LINKE lädt ein zu einem feministischen Dialog zu einer zeitgemäßen Politik für Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit. Drei von unseren fünf Initiativen für Gerechtigkeit nach der Bundestagswahl sind Anträge und Gesetzentwürfe, die deutlich für mehr Geschlechtergerechtigkeit sorgen und schon längst – ginge es nach den Wahlversprechen – parlamentarische Mehrheiten hätten. Dazu gehört die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2014, die Abschaffung des Betreuungsgeldes, um die dafür im Haushalt eingestellten Mittel in den Ausbau der Kita-Infrastruktur umzuleiten und die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben.

 

Zu Ergebnissen des Koalitionsvertrages im Einzelnen:

Ein flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € jetzt, das Vorzeigeprojekt der SPD, ist gescheitert. Weitere drei Jahre erhalten Millionen Beschäftigte Löhne, von denen sie nicht leben können. Das sind vor allem Frauen.

Das Entgeltgleichheitsgesetz, wie im SPD Wahlprogramm gefordert, endet als  Prüfauftrag an Unternehmen über 500 Beschäftigte und wird de facto von der Politik an die Tarifparteien, die es jahrelang nicht gelöst haben, zurückgegeben. „Wir wollen eine Initiative gemeinsam mit den Tarifpartnern starten, um die Muster von struktureller Entgeltungleichheit in Tarifverträgen zu erkennen und zu überwinden.“. Wie mit einem „individuelles Auskunftsanspruch“ Lohndiskriminierung von Frauen überwunden werden soll, liest sich wie ein Rätsel, das auch im Konkreten, der angesprochenen Aufwertung der Pflegeberufe ungelöst, weil unverbindlich, bleibt.

Die großen Gleichstellungswahlversprechen der SPD, eine Quotenregelung von 40 Prozent für Aufsichtsräte und Führungsgremien in Unternehmen hat als Quötchen von 30 Prozent für gerade mal 200 Aufsichtsräte das Licht der Welt erblickt. Ein kleines “und“  im Koalitionsvertrag hat weitere –  bis zu 2000 – Aufsichtsräte von einer verbindlichen Quote ausgeschlossen. Jetzt ist nur eine Veränderung bei den mitbestimmungspflichtigen und börsennotierten Aufsichtsräten beschlossen. Der Rest kann mit Zielquotenvereinbarungen  weiterwurschteln wie bisher.

Die „Mütterrente“, die auch für Väter gilt, kommt mit der Berücksichtigung eines zusätzlichen Entgeltpunktes in der gesetzlichen Alterssicherung. Das Finanzierungskonzept bleibt im Vertrag weiterhin unklar. Aber die Rentenregelung insgesamt, die eine Abkehr der Rente erst ab 67 suggerieren soll, wie auch die SPD, gemeinsam mit den Gewerkschaften und DER LINKEN im Wahlkampf gefordert haben, ist gerade mit Blick auf weibliche Biografien, eine absurde Lösung: Rente ab 63 bei 45 Beitragsjahren.

Klassische Maßnahmen der Frauenförderung: Wiedereinstieg ins Berufsleben nach Familienpausen, MINT-Förderung in der Schule und Ausbildung sind im Koalitionsvertrag zu finden, ändern nachgewiesenermaßen allerdings wenig an den tradierten Herrschaftsstrukturen, an den strukturell verfestigten mangelnden Zugängen zu gleichwertigen Teilhabe an Erwerbsarbeit, Einkommen und Rente. Sie sind und bleiben Reparatur und Kosmetik, ändern grundsätzlich wenig.

Entgegen allem Wahlkampfgetöse: Das Betreuungsgeld bleibt und bleibt daher im Koalitionsvertrag unerwähnt, obwohl dessen politische Wirkungen selbst von Studien, die noch Ministerin Schröder in Auftrag gab, als zweifelhaft gelten.

Beim großen Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gibt es überdies bei den Kindertagestätten keinerlei Zielsetzung für die Garantie des Rechtsanspruches. Zum flächendeckenden Ausbau erfahren wir nur: „Bund und Länder werden zur weiteren Realisierung des Rechtsanspruchs U 3 ein drittes Investitionsprogramm auflegen.“ Ansonsten scheint einzig das Bundesprogramme „Frühe Chancen Schwerpunkt-Kitas Sprache & Integration“ alle offenen Probleme von der „Qualität der Kindertagesbetreuung“, von der Personalausstattung, Qualifikation und Weiterbildung der Fachkräfte zu lösen, denn mehr Verbindlichkeit gibt der Koalitionsvertrag an dieser Stelle nicht her.

Im Abschnitt Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen steht das – noch nicht einmal evaluierte Hilfetelefon im Mittelpunkt. Alle anderen grundlegenden  politischen Schritte, Betroffenen Schutz und Hilfe zu gewähren, sind keine Erwähnung wert. Während im Entwurf noch die dringende Einigung mit den Ländern zur Finanzierung der Frauenhäuser aufgeführt war, hat auch diese grundlegende Voraussetzung einer wirksamen Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen im geltenden Koalitionsvertrag keinen Platz mehr gefunden.

Doppelt so lang wie der Abschnitt zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen ist der zur Prostitution, die mit der Bekämpfung des Menschenhandels de facto gleichgesetzt wird. Erwartet wurde, dass der EU-Richtlinie entsprochen wird, dass Strafverfahren, Verbesserungen beim das Gewähren eines sicheren Aufenthaltsstatus, Unterstützung, Betreuung und Beratung unabhängig  von der Aussagebereitschaft der Opfer sind. Doch das Verhandlungsergebnis lautet nun:  „Für die Opfer werden wir unter Berücksichtigung ihres Beitrags zur Aufklärung, ihrer Mitwirkung im Strafverfahren sowie ihrer persönlichen Situation das Aufenthaltsrecht verbessern sowie eine intensive Unterstützung, Betreuung und Beratung gewährleisten“. Der Rest ist eine ideologische Reform des Prostitutionsgesetzes, vorbei an Verbänden und Realitäten: Verbesserung der ordnungsbehördlichen Kontrollmaßnahmen und die – in der Öffentlichkeit heiß diskutierte – Freierbestrafung, bei wissentlicher Ausnutzung von Zwangsprostitution. Deren Nachweisbarkeit steht in den Sternen.

Bei Frauen in Konfliktgebieten gibt es kein Wort zur Finanzierung des Nationalen Aktionsplanes. Ähnlich nichtssagend ist der Koalitionsvertrag, wenn es um die Rechte von Frauen und Mädchen in der  Entwicklungszusammenarbeit geht: „Wir wollen die Gleichstellung von Frauen und Männern und die Durchsetzung der Rechte von Mädchen und Frauen zu einer Querschnittsaufgabe deutscher Entwicklungszusammenarbeit machen.“

Bei der Gleichstellung von Lebensweisen ist, im Unterschied zum SPD-Wahlprogramm, weder die Öffnung der Ehe für Schwule und Lesben, noch ein umfassendes Adoptionsrecht, außer bei Sukzessivadotpionen, enthalten.          

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